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Schriftsteller 1816 - 1877
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Titelblatt 1851
Erstausgabe
Verlag von Carl Krabbe, Stuttgart 1851

Illustrationen
Fritz Bergen, 1891

Übersetzungen
Englisch, Holländisch, Dänisch

Aktuelle Ausgabe
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Inhalt: "Unter dem Stadtgraben" wohnen die armen Frauen, die sich um das Öl für die Straßenlaternen kümmern. Die neue Gasbleuchtung treibt sie weiter ins Elend, aber der Fortschritt läßt sich nicht aufhalten. Marie, die kleine, bald mutterlose Tochter, ist die zentrale Gestalt der "Namenlosen Geschichten". "Ein Bürgerball und seine Folgen" ist ein weiterer Handlungsschwerpunkt. Im Stadttheater gibt Hackländer einen humorvollen Rückblick auf seine eigene gescheiterte Theaterkarriere.

Soziale Aspekte: Der Leser erhält viele Einblicke in die damaligen sozialen Verhältnisse. Besonders das eingebildete bürgerliche Umfeld in Stuttgart wird hier von Hackländer kritisiert.

"... Demnach stellen Sie eine Putzmacherin, Nähterin etc. über unsere Töchter und erkennen jenen wenigstens in der Gesellschaft den gleichen Rang zu?" "Unter den oben angegebenen Verhältnissen," versetzte der Hauptmann, "allerdings, das heißt in der menschlichen Gesellschaft; in der Gesellschaft dagegen, wie sie ein hohes und verehrungswürdiges Publikum versteht, kann man so etwas freilich nicht verlangen, und da brauche ich nicht einmal einen solch riesenhaften Sprung zu machen, wie von der Nähterin zur Hofrätin, und weiß wohl, daß viel kleinere Rangdifferenzen sich dort nicht zusammenfügen lassen. Dafür ist aber auch, meine Damen," sagte der Hauptmann, welcher warm wurde, "von einer Gesellschaft nichts zu erwarten, in der jede Rangklasse und tausend Taler mehr Vermögen ein eigenes Zimmer, ein eigenes Lokal bedingen."
"Sie wollen demnach," kreischte die Sekretärin, "alle Standesunterschiede niederreißen?"
"Durchaus nicht," sagte ruhig der Hauptmann, "aber alle Standesüberhebungen, wenn ich es könnte, mit den Füßen niedertreten. Ich kann und will nunmal nicht einsehen, daß der, welcher in glücklicheren Verhältnissen geboren ist, als ich, berechtigt sein soll, mir auf dem Kopf herumzutreten, und mich fühlen zu lassen, er sei aus einem besseren Stoff als ich." ... ...

"Sie wollten sagen," versetzte der Hauptmann, ironisch lächelnd, "daß jene Klasse der menschlichen Gesellschaft nicht so die Mittel hat, ihr Tun und Lassen zu verschleiern, wie andere, und daß man viel eher reden hört von den Fehltritten von zwanzig Putzmacherinnen, als von denen einer einzigen Bürgerstochter. Ich gebe das gern zu, nur müssen Sie bedenken, daß die Ansicht, welche Sie von dem Lebenswandel dergleichen Mädchen haben und welche Sie, meine Damen, täglich aussprechen, sehr viel Schuld an der Immoralität derselben trägt. Wenn jemand weiß, Sie halten ihn unbedingt für einen Dieb, weil sein Bruder einer war, so denkt er vielleicht: was hilft's mir, daß ich nicht stehle, man glaubt mir's doch nicht! -- -- Ich will das gerade nicht entschuldigen, aber es ist so." ...
Der Hauptmann schwieg, die Damen schwiegen auch, nicht als ob sie sich überwunden gefühlt, nein, sie erkannten den Hauptmann nicht mehr als ebenbürtigen Gegner und hielten es unter ihrer Würde, demselben ferner zu antworten, und als bald darauf die Teegesellschaft auseinander ging, als alle der Frau Stadträtin Schwämmle versicherten, einen köstlichen Abend verlebt zu haben, und darauf die meisten voll Gift und Galle schieden, war es stillschweigend unter ihnen ausgemacht, den Hauptmann zu keiner Teegesellschaft mehr einzuladen.


http://www.fw-hacklaender.de  21.04.2002   IMPRESSUM     nach oben